Der BGH hat sich in einem aktuellen Urteil zu der Frage geäußert, welche Pflichten der Betreiber einer Waschstraße zu erfüllen hat, damit Schäden der Kunden vermieden werden. Er muss nicht nur dafür Sorge tragen, dass seine Waschstraße den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Das ist selbstverständlich! Ihn trifft vielmehr auch die Pflicht, in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass sich die Kunden in der Waschstraße nicht falsch verhalten. Tut er das nicht, haftet er ggf. auch für das Fehlverhalten Dritter. Was das bedeuten kann, zeigt dieses interessante Urteil…
Der Fall:
Der Kläger verlangt von dem Betreiber einer Waschstraße Schadenersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeuges bei einem Waschvorgang. Der Kläger befand sich mit seinem Fahrzeug in der vollautomatisierten Anlage, in der Fahrzeuge während des Waschvorgangs von einem Schleppband mit einer geringen Geschwindigkeit gezogen werden. Dabei befinden sich die linken Räder auf der Fördereinrichtung, während die rechten Räder frei über den Boden laufen. Vor dem Pkw des Klägers befand sich ein Mercedes, hinter dem Pkw des Klägers ein Hyundai. Während des Waschvorgangs betätigte der Fahrer des Mercedes grundlos die Bremse, wodurch sein Fahrzeug aus dem Schleppband geriet und stehen blieb, während der Pkw des Klägers weitergezogen wurde. Der Pkw des Klägers wurde auf den Mercedes und der Hyundai auf den Pkw des Klägers aufgeschoben.
Das Problem:
Der Unfall ist ja recht eindeutig durch den Fehler des Mercedes-Fahrers verursacht worden: Weil er während des Waschvorgangs bremste, wurde der Pkw des Klägers auf den Mercedes aufgeschoben. Der Kläger verlangt nun aber den Ersatz seines Schadens nicht etwa von dem Mercedes-Fahrer, sondern von dem Betreiber der Waschanlage. Ist dieser Anspruch begründet? Hat der Betreiber der Waschanlage hier etwas falsch gemacht, so dass er zum Schadenersatz verpflichtet sein könnte?
Die Lösung:
Genau über dieses Problem hatte nun das höchste deutsche Zivilgericht zu entscheiden. In seinem Urteil vom 19.07.2018 hat der BGH folgende Entscheidung getroffen: Der Anspruch des Klägers gegen den Betreiber der Waschstraße ist begründet!
Wie begründet der BGH sein Urteil?
(1.) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage – etwa eben durch den Betrieb einer Waschstraße – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.
(2.) Insofern reicht es einerseits nicht aus, dass die Waschstraße den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
(3.) Andererseits dürfen die Schutzpflichten des Betreibers der Waschstraße aber auch nicht überspannt werden. Der Betreiber einer Waschanlage muss nicht für eine ununterbrochene Überwachung der Anlage sorgen. Er ist also nicht verpflichtet, eine Video-Anlage einzusetzen oder Mitarbeiter abzustellen, die neben dem Schleppband mitlaufen.
(4.) Der BGH vertritt aber die Ansicht, dass zu den gebotenen Sicherungsvorkehrungen durchaus die Erfüllung von bestimmten Hinweispflichten gehört! In dem vorliegenden Fall habe der Betreiber der Waschstraße seine Hinweispflicht verletzt! Der BGH begründet dies wie folgt:
„Der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordert es, dass von dem Betreiber der Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind – wie hier – Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage – zwar selten, aber vorhersehbar – nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinweisen, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren.“
In dem vorliegenden Fall sei davon auszugehen, „dass die Beklagte dem Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs keine Hinweise zur Benutzung der Waschstraße und der bei einem Bremsen während des Schleppvorgangs drohenden Gefahren erteilt hat.“
Unsere Anmerkungen zu dem Urteil:
Uns drängt sich die Frage auf, ob der BGH hier nicht „das falsche Schwein geschlachtet“ hat. In diesem Fall ist es doch so, dass der Schaden des Klägers durch das eindeutige Verschulden eines anderen Anlagenbenutzers verursacht wurde. Dieser hatte ja grundlos gebremst! Hätte der BGH hier allen Beteiligten nicht einen Gefallen getan, wenn er den Kläger als Geschädigten auf einen Haftung des Verursachers verwiesen hätte?!?
Man mag sich vor Augen führen, wohin eine derartige Rechtsprechung führt! Dem Betreiber einer automatischen Waschstraße wird nun zukünftig nichts anderes übrig bleiben, als seine Kunden auf alle nur erdenklich möglichen Gefahren und Risiken hinzuweisen. Da aber selbst dann immer noch die Frage sein wird, ob die Hinweise klar und deutlich genug erfolgt sind, wird das Ganze wo möglich auf ein unübersichtliches Regelwerk hinauslaufen, das letztlich keiner mehr zur Kenntnis nehmen wird.
Herbert Geisler, ein beim BGH zugelassener Rechtsanwalt, formuliert dazu treffend: „Hoffentlich gehen wir nicht amerikanischen Verhältnissen entgegen, die schon eine Warnung erfordern, dass man sich eventuell an einer Kaffeemaschine mit heißer Flüssigkeit verbrennen kann. Der Rechtsprechung wird künftig die Aufgabe zufallen, die Hinweispflichten auf ein angemessenes Maß einzugrenzen. Keinesfalls darf dies so weit gehen, dass auf Selbstverständlichkeiten hinzuweisen ist, die jeder Nutzer wissen muss. Ob die Informationspflicht ausreichend erfüllt ist, wird die Quelle neuer Streitigkeiten sein und die Gerichte weiter beschäftigen.“