Auch wenn es schon ein Vierteljahrhundert her sein soll: Ich kann mich an den Sommer 1992 noch recht gut erinnern. Ich war nach meinem 2. Staatsexamen seit einigen Wochen in einer Lippstädter Anwaltskanzlei tätig, gewissermaßen als juristischer Sachbearbeiter. Da ich ja noch kein Rechtsanwalt war, durfte ich meinem Chef zwar zuarbeiten, nicht aber selbstständig tätig werden. Das eine oder andere Mandantengespräch durfte ich schon führen, aber der Schriftverkehr wurde noch kontrolliert und vom Chef unterschrieben. Das war für mich natürlich ein unhaltbarer Zustand! Die Zulassung war längst beantragt, ließ aber auf sich warten.
Dann war es endlich soweit: Post aus Paderborn, vom Landgericht. Der Termin zur Vereidigung wurde mir bekannt gegeben: der 6. August 1992! So machte ich mich auf den Weg zum Landgericht. Dort stand ich in einem Ehrfurcht erheischendem Gerichtssaal, vor der hohen Richterbank. Vor mir ein älterer Richter, der mir den Eid abnehmen sollte, da ich ja von nun an ein „Organ der Rechtspflege“ sein sollte… Vor mir ein Kreuz, befestigt an einer Stange, die die Richterbank deutlich überragte. Ja, und dann war es endlich soweit. Der Richter lachte mich bemüht an und gratulierte wohl auch.
Obwohl ich von nun an dem ehrenwerten Berufsstand der Rechtsanwälte angehörte, wurde ich eindringlich darauf hingewiesen, dass ich den Beruf aber immer noch nicht ausüben dürfe, und zwar solange nicht, bis ich in die „Liste der Rechtsanwälte“ beim Amtsgericht Lippstadt eingetragen worden sei! Wahnsinn! Nun, … das ging aber „ruckzuck“, ….dauerte nämlich einen weiteren Monat, … und war dann am 03.09.1992 erledigt. Dann durfte ich auch – endlich – meine Post selber unterschreiben und sogar vor Gericht auftreten!
Das ganze Prozedere kostete damals 100 DM. Heute zahlt man mehr, für weniger Leistung. Der junge Rechtsanwalt muss heute 250 € auf den Tisch legen, wird zwar immer noch vereidigt, aber nicht mehr vor einem Gericht, sondern – recht profan – vor der Rechtsanwaltskammer…
Aber …. auch das gehört zu der Geschichte: Eigentlich wollte ich ja gar nicht Rechtsanwalt werden. Wie gesagt: Mein 2. Staatsexamen lag einige Wochen hinter mir und ich war fest entschlossen noch zu promovieren! „Dr. jur“, das wär´ doch was, dachte ich mir. Nur so einfach war das nicht, weil natürlich auch irgendwie Geld reinkommen musste. Also wäre doch so ein Halbtagsjob genau das Richtige für mich. Warum dann nicht als Rechtsanwalt?! Rechtsanwalt klang gut, bot sich aufgrund eines konkreten Angebots an und gehörte zu den sogenannten „freien Berufen“ – was mir irgendwie gefiel. Tja, und so war ich knapp drei Jahre lang halbtags tätig und habe am Nachmittag und am Wochenende an meiner Dissertation gearbeitet. Ehrlich gesagt: leicht war das alles nicht! Vor allem, weil mir zunehmend die Anwaltstätigkeit mehr Freude bereitete als die Promotion.
So blieb ich dann Rechtsanwalt und bin es nun schon unglaubliche 25 Jahre lang!
Vor kurzem habe ich gelesen, dass Rechtsanwälte mit zu den glücklichsten Berufsgruppen gehören. Das kann ich verstehen. Der Beruf macht mir noch immer viel Freude. Anderen zu helfen und gleichzeitig unternehmerisch tätig zu sein, übt einen großen Reiz auf mich aus. Im Rückblick überwiegt ein großes Gefühl von Dankbarkeit. Dankbar bin ich den Mandanten, die mir in all diesen Jahren ihr Vertrauen geschenkt haben. Dankbar bin ich auch meinen beiden Kolleginnen und meinen Mitarbeiterinnen, auf die stets Verlass war. Ich freue mich auf die vor uns liegenden Jahre.